Schweinfachtagung 2023- Voller Erfolg!

Die erste Hälfte des Novembers stand 2023 nach einer pandemiebedingten Zwangspause endlich wieder im Zeichen der Schweinefachtagung für Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, organisiert von Bröring und Topigs Norsvin. An je zwei Terminen pro Bundesland hatten die Besucher die Gelegenheit, drei spannendende Fachvorträge zu hören und gemeinsam mit den Referenten über die Zukunft der Schweinehaltung in Deutschland zu diskutieren. Wie groß der Bedarf nach Informationen und gemeinsamem Austausch ist, zeigten die zum Teil bis auf den allerletzten Platz gefüllten Räume in den Gaststätten in Wilsum, Osterfeine, Legden und Lünne. Ebenso groß war nicht nur die Überraschung über den wahnsinnigen Zuspruch, sondern auch die Freude der Veranstalter.

Unter der fachkundigen Moderation von Klemens Schulz vom Bundesverband Rind und Schwein e.V. sowie Regina Imhäuser als Redakteurin der Fachzeitschrift SUS starteten Dr. Alexander Kulüke und sein Kollege Henning Lindhaus mit einem tiergesundheitlichen Rundgang durch den Stall vom Saugferkel bis zum Mastschwein. Die Tierarztpraxis Schöppingen ist mit elf Tierärzten unterwegs in den Kreisen Borken, Steinfurt, Coesfeld, Warendorf, Grafschaft Bentheim und dem Emsland, und kümmert sich als Fachtierarztpraxis für Schweine zu 90% um Schweinebestände, aber auch ein bisschen Geflügel und Rind ist mit von der Partie. „Die Schweinefachtagung ist für mich schon ein Heimspiel mit vielen bekannten Gesichtern“ schmunzelt Dr. Alexander Kulüke zum Einstieg in seinen Vortrag.

Stallrundgang mit der Tierarztpraxis Schöppingen

„Alles beginnt mit der Geburt. Moment! Beginnt denn wirklich alles erst mit der Geburt der Ferkel?“ wirft Dr. Kulüke als rhetorische Frage in den Raum. Daraus ergibt sich nur eine logische Antwort: natürlich nicht. Denn bereits die Fütterung der hochtragenden Sau hat einen immensen Einfluss auf die Entwicklung der Ferkel. Dr. Kulüke präsentiert Ergebnisse aus einer Studie der TiHo Hannover, bei der Sauen mit unterschiedlich hohem Faseranteil in der Fütterung kurz vor der Geburt versorgt wurden. Die Versuchsgruppe eine Futtermischung mit rund 10% Faseranteil, die Kontrollgruppe hingegen nur einen Faseranteil von 4%. Zum Vergleich: Der in der Tierschutz- Nutztierhaltungsverordnung festgelegte Mindestwert für Rohfaser in der Sauenfütterung liegt bei 7%.

Das Ergebnis war eindeutig: Da der Kot in der Kontrollgruppe durch seine brikettartige, viel zu harte Konsistenz zu lange für die Darmpassage benötigte, wurden viele Toxine, die eigentlich durch den Kot abtransportiert werden sollten, durch die Darmwand in den Organismus aufgenommen.

Die Versuchsgruppe hingegen hatte durch den hohen Faseranteil geschmeidigen Kot mit einer schnelleren Passagerate und zudem ein besseres Fressverhalten, was zu mehr Milch und einer besseren Versorgung der Ferkel führte. Die Sauen der Versuchsgruppe ferkelten schneller und mit insgesamt höheren Wurfgewichten. Der Grundstein für ein gesundes Schweineleben wird folglich schon durch die angepasste Fütterung der Mutter gelegt.

„Die Eingliederung von Jungsauen in die Herde vergleiche ich immer gerne mit einem Schiffshebewerk, nur nicht für den Wasserspiegel, sondern für den Keimdruck“ fuhr Henning Lindhaus mit seinen Ausführungen fort. Mindestens sechs Wochen sollte man sich Zeit lassen, und die 170- 180 Tage alten Jungsauen erst einmal getrennt von der Altsauenherde aufstallen. Dann folgt das umfassende, an den Betrieb angepasste Impfkonzept, dass zwei Wochen vor der Umstallung abgeschlossen sein sollte, bevor die Jungsauen dosierten direkten Kontakt zu den Altsauen bekommen, z.B. durch temporäres Zustallen ins Deckzentrum.

Saugferkeldurchfall ist einer der Hauptgründe für Ferkelverluste und niedrige Absetzgewichte. Meist sind sie ein endemisches, ein wiederkehrendes Problem, das fast in allen Beständen besteht, und durch sporadische Peaks zu hohen Verlusten führen kann. Selbst wenn die Ferkel überleben, verlieren Sie in der ersten Lebenswoche bereits rund 100 g Gewichtszunahme im Vergleich zu ihren nicht erkrankten Artgenossen. Häufig sind die Verursacher Rotaviren, die die Ferkel von der Sau oder aus der Umwelt aufgenommen haben. Sie führen zwischen dem ersten bis siebten Lebenstag zu wässrigen, gelblichen Durchfällen, die meist in der dritten Lebenswoche wiederkehren. Während es gegen Rotavirus A eine teure, aber wirksame Impfung gibt, ist gegen Rotavirus C gar keine Impfung verfügbar. Hier kann eine sog. „Rückfütterung“, d.h. das Einbringen von Ferkelausscheidungen in das Trinkwasser der Sau als eine Art „Schluckimpfung“ über die Mutter sinnvoll sein. Die Gabe von Zitronensäure in die Tränke der Ferkel säuert deren Darmflora an und schafft so ein ungünstiges Milieu für die Rotaviren. Sollten die Tiere bereits infiziert sein, ist die Gabe von Elektrolytlösungen wichtig, da der Durchfall die Ferkel stark dehydriert.

Influenza ist eine vor allem ökonomisch sehr kostspielige Infektionskrankheit im Schweinestall: „Wir erleben es nicht mehr wie früher als eine Art Flächenbrand, sondern eher als ein Grundrauschen, das nie vollständig austherapiert wird“ schildert Dr. Kulüke seine aktuellen Beobachtungen in den Beständen. Die Crux der Diagnostik liegt hier vor allem darin, dass die Tiere sehr kurz nach der Infektion bereits ein Maximum an Viren ausscheiden (bis zu 5-7 Tage lang), der Antikörpernachweis aber erst verzögert geschehen kann (7-14 Tage nach der Infektion).

Für einen Erfolg mit der Influenzaimpfung sollte ein bestandsspezifischer Impfstoff verwendet werden, denn je näher sich Impfstamm und Feldstamm sind, desto wirksamer greift die Impfung.
Als letztes Griff Henning Lindhaus die Ileitis auf, eine Erkrankung durch Lawsonia intracellularis, die sich symptomatisch mit vielen Gesichtern zeigt. Führt sie in ihrer akuten Form häufig zum Verenden der Tiere, so ist die subklinische Form von wenigen bis keine Symptome, aber massiven Leistungseinbußen geprägt. In Ihrer chronischen Verlaufsform sorgt sie für wiederkehrende Durchfälle und verringerte Zunahmen, die zu einem Auseinanderwachsen der Gruppen führt. Hier kann im Bereich der Mast mit einer angepassten Impfung wirkungsvoll vorgebeugt werden, so dass die Produktivität erhalten wird und der Antibiotikaeinsatz gesenkt werden kann.

Deckzentrum umbauen – aber wie bloß?

Damit endete der erste Teil der Vortragsreihe, und die Tierärzte aus Schöppingen übergaben den Staffelstab an Gerd Hermeling und Dr. Heiko Jannsen von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, die mit dem Vortrag „Umbaukonzepte im Deckzentrum“ natürlich ein Thema bespielten, dass momentan vielen Schweinehaltern große Zukunftssorgen bereitet. In der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung sind für die Haltung verschiedener Tiergruppen in Altbauten Übergangsvorschriften zum Umbau zur Gruppenhaltung eingerichtet.

Für die Haltung von Zuchtsauen (Jungsauen mit 1. Wurf und Sauen ab dem zweiten Wurf) bis längstens zum 9. Februar 2029. Auch für Zuchtläufer (von der zehnten Woche bis eine Woche vor der geplanten ersten Besamung) gilt diese zeitliche Frist für die endgültige Umsetzung des Umbaus. Für Sauen in der Abferkelbucht gilt eine Übergangsfrist sogar bis zum 9. Februar 2036.

Die entscheidende Frist, die momentan mit großen Schritten näher rückt, ist allerdings die Vorlage eines Umbaukonzeptes für das Deckzentrum bzw. die konkrete Aufgabeerklärung für die Sauenhaltung am 9. Februar 2024. Das Umbaukonzept muss mittels eines Formblattes eingereicht werden, der Nachweis des tatsächlich gestellten Bauantrags, soweit denn nach Landesrecht eine Baugenehmigung fällig ist, muss allerdings erst zwei Jahre später, am 9. Februar 2026 erfolgen. Gerd Hermeling appelliert daher eindringlich an die Anwesenden im Saal: „Sie sollten also jetzt auf keinen Fall die Aufgabeerklärung unterschreiben. Was Sie jetzt einreichen, sind Konzepte, noch keine fertigen Anträge. Sie haben in Ihrem Betrieb viele Variablen, mit denen Sie Anpassungen vornehmen können: Produktionsrhythmus, Gruppengröße, Übergang vom teilgeschlossenen ins geschlossene System und der Platzbedarf in der Ferkelaufzucht. Wenn Sie jetzt die Aufgabeerklärung leichtfertig unterschreiben, gibt es keinen Weg mehr zurück. Lassen Sie sich erst einmal betriebsindividuell über alle Möglichkeiten beraten und spielen Sie verschiedene Lösungsansätze durch.“

Blick ins Deckzentrum nach dem Umbau Quelle: Gerd Hermeling

Eine betriebsindividuelle Beratung kann nicht nur baulichen und rechtlichen Fragen bei der Neugestaltung des Deckzentrums hilfreich sein. Auch allgemeine Probleme in Bezug auf Fütterung, Haltung und Leistung der Tiere können oft durch einen „Blick von außen“ besser erkannt werden. Daher rundeten Christoph Henseler von Topigs Norsvin, Jesko Grimm von Bröring und Alexander Öchtering von IQ-Agrar den Abend mit einer Betriebsvorstellung eines Kundenbetriebs ab. Der im Emsland gelegene Familienbetrieb Brüning ist ein gutes Beispiel dafür, wie durch gute Kommunikation und gemeinsame Beratung viel Leistungspotential mit kleinen Veränderungen neu geschaffen werden kann.

In Veränderungen Chancen erkennen

So lautete der Titel der gemeinsamen Betriebsvorstellung, bei der Christoph Henseler mit den züchterischen Daten den Auftakt machte. Der Betrieb Brüning mit 250 Sauen, 1.200 Ferkelaufzuchtplätzen, 2.300 Mastplätzen und 48 ha Ackerbau wird von Anita, Andreas und Sebastian Brüning betrieben, die neben dem Augenmerk auf Tierwohl und Arbeitskomfort auch als Familie einen Anspruch an flexible Freizeitgestaltung haben.

Als erstes wurde im Sauenstall die Genetik umgestellt, und nach der TN70 wurde auch der TN Tempo, anstatt eines vorher eingesetzten Pietrain-Ebers, bei den Brünings etabliert. Ziele waren die Steigerung der lebend geborenen Ferkel und der Abferkelquote, sowie die Senkung der Saugferkelverluste. So konnte sich der Betrieb von 2015 bis 2021 von 28,6 auf 31,5 abgesetzte Ferkel steigern. Die Umrauscherquote sank von 8,9 % auf 6,2 %, die Abferkelquote stieg von 84 % auf 86 %. Im Maststall benötigte man nicht mehr 120, sondern nur noch 100 Tage bis zur Neueinstallung mit verbesserten Tageszunahmen. Durch eine Änderung der Maske konnte auch die abschließende Vermarktung der Tiere ökonomisch optimiert werden.

Auch an der Stellschraube Fütterung wurde justiert. „Es sollte weiterhin eine kostengünstige und einfache Fütterung sein“, verriet Jesko Grimm als zuständiger Fütterungsberater. Nach einem Technik-Check wurde klar, warum die Tiere im Flüssigfutterstall so auffällig auseinanderwachsen: Durch eine sehr unzureichende Durchmischung des Futters aufgrund zu kurzer Rühr- und Quellzeiten waren die Inhaltsstoffe je nach Futterausgabestelle sehr unterschiedlich. Durch eine Verlängerung der Rühr- und Quellzeiten wird nun eine homogene Futtermischung ausgegeben, und die Tiere wachsen wieder gleichmäßig.

Die Ferkel werden zudem direkt nach dem Absetzen nach Größe sortiert, kleine Ferkel bekommen zusätzliche Futterschalen, um das Fressplatzverhältnis zur erhöhen. So erhält man am Ende noch homogenere Tierpartien: „Eine Fütterung nach Alter macht eben wenig Sinn, ein 5kg Ferkel frisst eben als ein 7kg Ferkel“ erklärt Jesko Grimm das Vorgehen. Auch eine PIA-Impfung für alle Tiere im geschlossenen System hat weiteren positiven Einfluss auf die Ergebnisse gebracht. Nun galt es noch, diese verbesserten Mastergebisse auf dem Schlachthof auch in ein optimales ökonomisches Endergebnis zu verwandeln.

An diesem Punkt kam Alexander Öchtering von der IQ-Agrar ins Spiel, der durch gezielte Datenauswertungen, wie der Ermittlung des optimalen Schlachtgewichts, dem Vergleich aus Indexpunkt- und Magerfleischanteil- Abrechnungen und einer Befunddatenauswertungen ebenfalls Verbesserungsansätze für den Betrieb Brüning ermitteln konnte. Anhand eines Beispiels erläuterte Öchtering: „Wiegen ist die bestbezahlte Arbeit auf einem Betrieb!“ Denn die 13 Tiere, die in diesem Beispiel zu schwer am Schlachthof angekommen waren, brachten eine Differenz zur Notierung von insgesamt minus 250 Euro. Auch ein Blick in die Befunddaten des Schlachthofs ist sinnvoll, denn Befunde führen immer zu geminderten Tageszunahmen. Häuft sich in diesen Daten ein bestimmter Befund, so sollte der Ursache auf jeden Fall auf den Grund gegangen werden. Mittlerweile liegen rund 95% der Tiere aus dem Betriebs Brüning am Schlachthof im optimalen Gewichtsbereich und die Futteranpassung und der Technik-Check durch Jesko Grimm ließ sich anhand von Alexander Öchterings Einblick in die Schlachtdatenauswertungen ökonomisch nachvollziehen.

„Betriebsabläufe sollten einfach gestaltet werden und zudem ökonomisch effektiv sein. Wenn man auch mal seine Freizeit wie Jagd, Fußball oder andere Aktivitäten genießen kann, dann macht es auch wieder Spaß in den Stall zu gehen.“ So endete das Fazit von Christoph Henseler zu den Ausführungen über den Betrieb Brüning und damit auch der letzte Vortrag der Schweinefachtagung 2023.

Die Firmen Bröring und Topigs Norsvin bedanken sich bei den Referenten und Moderatoren für die interessanten Beispiele und Denkanstöße, aber vor allem bei dem zahlreich erschienenen Publikum, dass durch sein lebhaftes Mitdiskutieren die Veranstaltungen erst so richtig spannend gestaltete. Wir sind sehr glücklich über den Zuspruch in diesem Jahr und überzeugt, dass wir auch 2024 wieder mit Ihnen gemeinsam über die Zukunft der Schweinehaltung diskutieren wollen, denn wir sind sicher: Es lohnt sich!

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