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Von Landwirt zu Landwirt: Praxis trifft Zukunft

Drei Betriebe, drei Strategien, ein Ziel: zukunftsfähige Schweinehaltung

Wie sieht moderne Schweinehaltung aus, wenn sie nicht am Schreibtisch, sondern im Stall entschieden wird? Genau das zeigte die Dialogveranstaltung „Von Landwirt zu Landwirt“, die gemeinsam mit unseren Partnern von Trouw Nutrition Deutschland und MSD Tiergesundheit Mitte Juni 2025 stattfand.
Drei landwirtschaftliche Familienbetriebe zeigten offen, ehrlich und mit beeindruckender fachlicher Tiefe, wie sie ihre Höfe für die Herausforderungen der Zukunft rüsten. Vom Neueinstieg über genetische Umstellungen bis hin zum konsequenten Umbau auf Haltungsstufe 4: Die Impulse waren so vielfältig wie wegweisend.

v.l.n.r.: Sascha Hübener / MSD, Johannes Hofstätter / Trouw Nutrition, Jonathan Stetter, Christian Disselmann / Topigs, Florian Haag, Stefan Hüning / Topigs, Fabian Deinlein, Fabian Mannes / Topigs, Dr. Lisa Witt / MSD.


Mitten rein in die Ferkelproduktion – Jonathan Stetter wagt einen Neustart

Den Auftakt machte Jonathan Stetter aus dem baden-württembergischen Achstetten, der mit seiner Familie bisher in der Fressermast und Legehennenhaltung, im Ackerbau und mit einer Beteiligung an einer Biogasanlage aktiv war.

Im vergangenen Jahr entschied sich der Betrieb für den vollständigen Neueinstieg in die Ferkelproduktion – mit 350 Sauen und 1.850 Ferkelaufzuchtplätzen als neuem Betriebszweig.
Grundlage für diesen mutigen Schritt war eine strategische Entscheidung für mehr Unabhängigkeit und wirtschaftliche Stabilität. Die bestehenden Ressourcen – Flächen, Energie, Personal – wurden gezielt genutzt, Synergien intelligent verbunden. So gelang ein reibungsloser Aufbau, begleitet von hoher fachlicher Kompetenz und klaren Strukturen.

Der Erfahrungsbericht zeigte eindrucksvoll, dass auch ein Neueinstieg in die Ferkelproduktion erfolgreich sein kann – wenn Leidenschaft, Planung und betriebliche Ressourcen aufeinander abgestimmt sind. Diversifizierung ist hier nicht nur Mittel zur Risikostreuung, sondern ein aktiver Schritt in Richtung Zukunftssicherung.


Mehr Leistung und Wirtschaftlichkeit durch Genetikwechsel – Der Weg der Familie Haag

Im zweiten Vortrag berichtete Florian Haag von der Umstellung seines Familienbetriebs in Oberstetten im Main-Tauber Kreis, mit 140 Sauen im geschlossenen System und rund 800 Mastplätzen. Über viele Jahre hinweg testete der Betrieb verschiedene Genetiklinien, oft auch in Abhängigkeit vom Jungsauenaufzüchter des Betriebes. Wirkliche Zufriedenheit stellte sich lange Zeit nicht ein. Bis der Jungsauenaufzüchter mit der bewährten TN70 zur Sauengenetik von Topigs Norsvin wechselte. Nach reiflicher Überlegung bekam die Genetik auch im Stall von Familie Haag eine Chance, die einen Wendepunkt darstellte. Doch die nächsten Probleme erschienen am Horizont: Lieferengpässe bei den Jungsauen. Familie Haag entschloss sich zu einem weiteren Schritt, und produziert seit dieser Zeit mit dem InGene-Eigenremontierungsprogramm von Topigs Norsvin ihre Jungsauen selbst.

Nach dem Wechsel der Sauengenetik, nahm auch der TN Tempo Endstufeneber Einzug, und löste die jahrelang genutzte Pietrain-Genetik im Hause Haag ab. Die Leistungsentwicklung spricht für sich: Mit über 30 abgesetzten Ferkeln pro Sau und Jahr konnte eine enorme Produktivitätssteigerung erreicht werden. Die Umrauscherquote sank von 13,21% auf 8,26%. Auch in der Mast überzeugt der Betrieb – Tageszunahmen von 950 g, im Vergleich mit der vorherigen Pietraingenetik konstante Magerfleischanteile und wirtschaftlich attraktive Umtriebszahlen sind das Ergebnis.

Der Vortrag zeigte eindrucksvoll, wie zukunftsorientierte Genetik und systematische Eigenremontierung zu messbaren Erfolgen führen. Die Kombination aus biologischer Leistung und ökonomischer Optimierung bringt dem Betrieb Haag jährlich über 60.000 € Mehrerlös – ohne zusätzlichen Arbeitskräftebedarf.


Haltungsstufe 4 als Chance – Fabian Deinlein über den Stall der Zukunft

Den Abschluss bildete der Vortrag von Fabian Deinlein, der mit seiner Familie einen vielseitig aufgestellten Betrieb mit 200 Sauen, 250 ha Ackerbau, einer Biogasanlage und Hofcafé führt. Angesichts zukünftig sinkender Einnahmen aus der Biogasanlage durch die Ausschreibung seit 2025 und erschwerter Bedingungen im Ackerbau entschied sich die Familie nicht für die Abschaffung der Schweinehaltung – sondern für konsequenten Umbau: Haltungsstufe 4.

Es stellten sich weiterhin viele Fragen. Will man von permanenten Umbauvorgaben getrieben sein, oder lieber gleich in einen Stall investieren, den man 20-30 Jahre betreiben kann, und der zudem höchsten Tierwohlstandards entspricht? Hier liegt die Antwort eigentlich auf den Hand, aber: Wer soll das bezahlen?
Es wurden Lösungen gefunden und bei Familie Deinlein wird von der Abferkelbucht über Deckzentrum und Wartestall bis zur Ferkelaufzucht alles auf Tierwohl, Auslauf und strukturierte Haltung umgestellt. Mit 7,5 m² Platz im Abferkelbereich leben die Sauen in Zukunft sehr geräumig, der Ferkelbereich wird planbefestigt und eingestreut. Nach dem Absetzen bekommt jede Sau ein Platzangebot von 5 m² pro Tier und einen planbefestigten Auslauf von 1,5m² bei einem Tier:Fressplatz-Verhältnis von 1:1.

Fixiert werden die Sauen dann nur noch sehr kurzfristig zur Besamung. Besonderer Wert wird auch auf Beschäftigung, Kot-Harn-Trennung und langschwanztaugliche Genetik gelegt – inklusive funktionaler Entmistungskonzepte und intelligenter Stalllogistik. Für die Finanzierung des Projektes müssen auch in der Vermarktung neue Wege beschritten werden. Statt auf schwankende Marktpreise zu setzen, werden langfristige Verträge über drei, fünf oder sogar zehn Jahre mit Premium-Markenfleischprogrammen genutzt – mit klaren Standards an z.B. die Haltungsanforderungen oder den Kupierverzicht und zuverlässigen Partnern im Lebensmitteleinzelhandel.

Haltungsstufe 4 ist machbar – mit fundierter Planung, Offenheit für Neues und einem klaren Vermarktungskonzept. Der Vortrag machte Mut, diesen Weg zu gehen: ökologisch wie wirtschaftlich tragfähig, praxisnah durchdacht – und bereit für die kommenden Jahrzehnte.

Drei Betriebe. Drei Wege. Ein gemeinsamer Anspruch: Zukunft gestalten

Die Veranstaltung „Von Landwirt zu Landwirt“ bot weit mehr als nur Vorträge. Sie war Plattform für den offenen Austausch, Spiegelbild der Branche und Quelle praktischer Inspiration. Ob Neueinstieg, Leistungsoptimierung oder Umbau auf höchste Haltungsstandards – alle drei Betriebe bewiesen, dass zukunftsfähige Schweinehaltung möglich ist. Nicht durch Theorie – sondern durch mutige Entscheidungen, klare Konzepte und tägliche Praxis.

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